Der gefesselte Prometheus
Jacob Jordaens, um 1640 - Öl auf Leinwand, 245 × 178 cm

In der antiken Mythologie war es Prometheus - was
übersetzt etwa der "Vorausdenkende" bedeutet -, der aus Erde und
Wasser den Menschen nach dem Bilde der Götter erschuf. Und der
Schöpfer liebte seine Geschöpfe. Als festgelegt wurde, welche Teile
des Opfertieres für die Götter und welche für die Menschen bestimmt
sein sollten, ergriff Prometheus Partei für seine Menschen und half
ihnen, die Götter zu überlisten. Er umwickelte nämlich die wertlosen
Teile des Opfertieres mit einem üppigen Stück Fett, das damals noch
kostbar war. Auf die guten Stücke legte er hingegen Knochen. Die
Götter erkannten zwar den Betrug, sie nahmen ihn aber hin. Diesen
Opferbetrug illustriert der Fellsack mit den Knochen, rechts im
Bilde. Schon diese Tat machte Prometheus den
Olympischen Göttern verdächtig.
Den Menschen aber, die Prometheus geschaffen hatte,
fehlten noch besondere Eigenschaften. Sie hatten keine starken Zähne
und waren weder besonders schnell noch besonders stark. Daher stahl
Prometheus für die Menschen im Himmel des Feuers Glut, das alle
Künste schafft, wie Aischylos schreibt. An diese Tat des Titanen
erinnert die brennende Fackel, links im Bild in der Höhe von
Prometheus' Kopf. Die Büste, rechts im Bilde neben der Opfergabe,
deutet auf Prometheus' Rolle als Menschenschöpfer hin.
Mit der Übergabe des Feuers an die Menschen beging
Prometheus - aus der Sicht der olympischen Götter - einen großen
Frevel, denn durch das Feuer wurden die Menschen den Göttern noch
ähnlicher. Zeus strafte Prometheus dafür, indem er ihn im
Kaukasus an einen Felsen schmieden ließ und ihm täglich einen
Adler schickte, der an seiner Leber fraß. Dies verursachte dem
Prometheus unvorstellbare Schmerzen, tötete ihn jedoch nicht, da
seine Leber stetig nachwuchs. Diesen Augenblick des allergrößten
Leidens wählte der Maler Jakob Jordaens für sein Bild. Er verzichtet
dabei auf übermäßige Blutströme und klaffende Wunden. Die Qual und
das Leiden Prometheus' wird durch seinen Körper, durch seine
angespannten Muskeln und vor allem durch sein vom Schmerz
verzerrtes, hochrotes Gesicht glaubhaft gemacht. Als Kontrast dazu
wirkt das Lächeln des jugendlichen Götterboten
Hermes, der von oben herab, lässig dastehend kontrolliert, ob
die Strafe an Prometheus auch tatsächlich vollzogen wird, wie
gehässiger Hohn.

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