SaqarTvelo – Georgien

 Ein Paradies in Trümmern 
 Bericht über mein Praktikum im Rahmen des Studiums Pflegewissenschaft an der Freien Universität Witten Herdecke.
Allgemeines über Land und Leute

„Georgien ein Paradies in Trümmern“ ist der Titel eines Buches von Naira Gelaschwili (Publizistin, seit 1993 Chefberaterin des „Zentrums zur Erforschung der Kultur und des Politischen Denkens der Kaukasusvölker).

Nichts beschreibt die Gegensätzlichkeit und Intensität dieses Landes besser, als dieser Satz Kaum jemand in Westeuropa weiß so recht wo Georgien eigentlich liegt, welche Menschen und welche Kultur dort lebt. Man erinnert sich schwach daran, daß Georgien zur ehemaligen UDSSR gehörte und irgendwo im südlichen Osten liegt. Vielleicht denkt man dort wird Russisch gesprochen.

Georgien ist ein kleines Land, ungefähr so groß wie Bayern. Es erstreckt sich von der Küste des schwarzen Meeres im Westen, bis zum Kaukasus im Nordosten. Der höchste Berg ist der Kasbek(5033m). In dieser Region ist Hochgebirgsklima und es gibt sehr viele Mineralquellen. Am Schwarzen Meer ist subtropisches Klima. Dort gedeihen Palmen, Zypressen, Zitrus- früchte, Tee und Tabak. Fast der gesamte Teebedarf der UDSSR stammte aus Georgien. Die Kaukasusregion ist außerdem die Heimat des Weines.

Georgien ist eng verbunden mit der abendländischen Kulturgeschichte. Schon 314 n.Chr. wurde das Christentum Staatsreligion. Doch die eigene Geschichte reicht zurück bis in das Jahr 3100 v. Chr. In Georgien spricht man eine eigene Sprache und es gibt  seit dem 5.Jh. n.Chr. eine eigene Schrift. Die Herkunft der Georgier liegt völlig im dunkel. Aufgrund der sprachlichen Affinitäten wird sogar eine Verbindung zu den Basken für möglich gehalten.

Schon immer wurden Georgien von seinen Nachbarn bedroht. Vor allem die Russen hatten schon seit dem 18 JH. Eine Auge darauf geworfen. 1922 wurden Georgien und Armenien mit militärischer Gewalt der Sowjetunion angeschlossen. In der Zeit der UDSSR war Georgien der reichste Teil des Republik und wurde von den Russen sehr geliebt. John Steinbeck schrieb in seinem „Russischen Tagebuch“. „ Wo wir in Rußland auch waren, in Moskau, in Stalingrad oder in der Ukraine, überall hörten wir das magische wort „Georgien“. Menschen, die nie dort waren und vielleicht auch nie dorthin fahren können, sprachen von Georgien mit begeisterung und äußerten den Wusch es zu besuchen. Und man sprach über Georgien wie über ein zweites Paradies. So begannen wir zu glauben, daß die meisten Russen hoffen, nachen einem tugendhaften und rechtschaffenden Leben nicht ins Paradies, sondern nach Georgien zu kommen.“

Das paradiesische an Georgien ist die abwechslungsreiche Landschaft, die Spuren eine uralten Kultur, die Spiritualität der Klöster auf den Gipfeln fast aller Berge und ganz besonders die warmherzige Gastfreundschaft und Lebensfreude der Georgier. Für die Menschen dort kommt. Der Gast von Gott, das bedeutet er wird liebevoll empfangen und alles wird selbstlos mit ihm geteilt. Der georgische Tisch biegt sich unter der Vielfalt der Speisen. Und nachdem der Tamadar, der Tischherr, seinen poetischen Trinkspruch gesprochen hat und man den herrlichen Wein getrunken hat, ist man fest davon überzeugt zumindestens den Vorhof des Paradieses betreten zu haben. In Georgien leben nur (fast) Philosophen und Künstler, berühmt ist der georgische Gesang (bis zu 16 simmig). Nach dem Zusammenbruch der UDSSR nahm auch Georgien seine Unabhängigkeit. Seit dem ist dort der ökonomische und soziale Notstand ausgebrochen. Seit 1989 gibt es keine Strukturen. Es gibt keine regelmäßige Strom und Wasserversorgung. Das Beheizen der Wohnungen ist sehr abenteuerlich.

Jetzt sind wir vom Paradies bei den Trümmern angekommen. Georgien zerbröckelt, anders kann man es nicht beschreiben. Die unter Chrustschow entstandenen 12 stöckigen Betonbauten fallen sichtbar auseinander. Es passiert nichts um irgendetwas in Gang zu bringen. Die ursprünglichen Familenstrukturen brechen auseinander. Daher sind vor allem alte und behinderte Menschen nicht versorgt. Alte Menschen leben auf der Straße  oder isoliert in ihren Wohnungen. Renten (12 Lari = 12 DM im Monat , das Lebensminimum liegt bei mindestens 200 Lari) werden wenn überhaupt nur unregelmäßig gezahlt.

Mein Praktikum

Nach Georgien zu fahren, war nicht unbedingt mein Wunsch. Eines Tages erhielt ich einen Anruf, ob ich mir vorstellen könnte in Tbilisi sechs georgische Krankenschwestern in Pflege zu unterrichten. Ähnlich wie in Russland sind Krankenschwestern nur med/tech. Ausgebildet und arbeiteten als Assistenin des Arztes. Ich fuhr also im März 2000 für 6 Wochen nach Tbilisi, der Hauptstadt Georgiens. Die zu schulenden Krankenschwestern sind im Meeting Centre Tbilisi, Sozialzentrum für alte Menschen, tätig. Seit 1997 wird dort mit finanzieller Unterstützung von Cordaid, einer niederländischen kath. Donarorganisation, Hilfe für alte Menschen geleistet. Die ersten Aktivitäten waren eine Suppenküche und ein warmer Ort, an dem sich alte Menschen treffen konnten. Doch schnell wurde deutliche, das die Situation viel schlimmer ist und Pflege nötig ist. Es wurden Krankenschwestern gesucht die bereit waren in den Wohnungen unter katastrophalen Umständen zu pflegen. Mittlerweile werden 56 alte Menschen versorgt. Es gibt 3 häusliche Pflegedienste In Tbilisi. Der erste gehört zum Therapeutikum,  von dort werden 72 Patienten betreut. Außerdem ist  dort auch eine Krankenpflegeschule angesiedelt. Das Therapeutikum steht seit 1989 in engem Kontakt mit dem Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke. Der zweite ist Teil des Meeting Centres. Der dritte Pflegedienst wird von der georgischen Caritas betrieben. Sie versorgen 25 Pflegebedürftige.

Die Zukunft

Seit meinem Praktikum besteht ein enger Kontakt zu dieser Initiative, die auf anthroposophischer Grundlage arbeitet. Es sind viele Ideen geboren worden, wie sich Pflege in Georgien weiterentwickeln könnte. Eine Idee ist die Herausgabe einer Pflegefachzeitschrift, die erste Ausgabe erscheint hoffentlich im Mai 2001. Für dieses Projekt  werden noch Spender/innen gesucht. Die Idee ist es 2 Jahre die Zeitung  vierteljährlich kostenlos an Krankenschwestern zu verteilen. Es geht dabei darum ein Bewußtsein für nötige Veränderungen zu wecken und die Eigeninitative anzuregen.

Bei meinem zweiten Besuch im Februar 2001 , disskutierten wir viel über die Notwendigkeit und die Möglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung von Strukturen. Auch ist es wichtig die Selbstpflege-Kompetenz der zu stärken und Familien zu unterstützen trotz veränderter Lebensbedingungen weiterhin selbst zu Pflegen. Es wird auch über eine Zusammenarbeit mit der Uni WH nachgedacht. Cordaid ist sehr daran interessiert , unter Einbeziehung von  staatlichen Stellen, im Bereich Family- and Community Care tätig zu werden. Im Land selbst gibt es auch solche Bestrebungen. Vor allem die georgische Nursing Assosiation ist an einer solchen Entwicklung interessiert. Die NA ist halb NGO  (non goverment organisation) halb dem Gesundheitsministerium zugehörig. Notwendige Aufgaben  in der Zukunft sind:

  • Trainingskurse für Krankenschwestern, im Bereich der allgemeinen Pflege mit dem Focus familienorientiert zu pflegen
  • Unterstützung bei der Organisationsentwicklung eines Pflegedienstes
  • Mitarbeit in der Pflege

Interssierte können sich gerne mit mir in Verbindung setzen.

Brigitte Hagenhoff;  Brückstr.20, 58455 Witten, Tel.: 02302/425421 E-Mail: brihag@uni-wh.de

Spenden für das Zeitungsprojekt können unter folgender Kontonummer eingehen:

Sozialpädagogisches Zentrum e.V.
Bank für Sozialwirtschaft/Köln
BLZ 370 205 00
Konto 70 75 307 (Pflegezeitung)

Auf Wunsch kann eine Spendenquittung erstellt werden. Bitte schreiben Sie eine Postkarte mit dem gespendeten Betrag und der vollständigen Anschrift an die oben genannte Adresse.

Brigitte Hagenhoff

 

Tedo Tavkhelidse

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